
Wie Valentina zur Frugalistin wurde
„Frugalismus – Was ist das denn?“ So geht es dir möglicherweise beim Lesen dieser Zeilen auch gerade. Aber vielleicht bist du sogar selbst Frugalist:in und weißt es noch gar nicht. Denn der Trend, frugal (oder anders ausgedrückt: einfach, genügsam oder bescheiden) zu leben, ist recht neu und geht auf die Finanzkrise 2007 zurück.
In Folge dieser mussten viele Menschen sparsamer leben und lernen, mit weniger Geld auszukommen. So fand der Frugalismus zunächst in den USA immer mehr Anhänger, ehe in den Folgejahren auch Menschen in Europa und anderen Teilen der Welt hinzukamen. In engem Zusammenhang mit dem Frugalismus steht die FIRE-Bewegung, die sich bereits in den 90er Jahren ebenfalls in den USA entwickelte. FIRE steht für „Financial Independence, retire early“, also finanzielle Unabhängigkeit, früher Ruhestand.
Mittlerweile sind Personen, die dem Prinzip des Frugalismus folgen, nicht mehr unbedingt finanziell schwach aufgestellt. Vielmehr sehen sie ein frugales Leben als eine bewusste Entscheidung z.B. gegen Konsum und für finanzielle Freiheit. Statt Geld für immer mehr unnötige Besitztümer auszugeben, steht z.B. der Vermögensaufbau durch kluge Investitionen im Vordergrund. Dadurch streben Frugalist:innen an, weit vor dem Renteneintritt zum Teil oder komplett mit dem Arbeiten aufhören zu können.
Wir wollten genauer wissen, was es mit dem Frugalismus auf sich hat und wie ein frugales Leben aussehen kann. Dazu haben wir die Frugalistin Valentina (24) aus Tirol befragt.
Valentina von Minimal Frugal: Es ist schon nicht wenig Aufwand, aber es macht mir viel Freude, meine Social Media-Kanäle zu betreiben. Dadurch durfte ich auch schon einige Gleichgesinnte kennenlernen und ich lerne stetig dazu.
Valentina: Frugalismus bedeutet für mich, bewusst auf seinen Konsum zu achten und sich auf die wichtigen Dinge im Leben zu fokussieren. Dadurch ergibt sich bei mir eine relativ hohe Sparquote und eine große Summe, die ich monatlich investieren kann. So werde ich von Monat zu Monat finanziell unabhängiger. Gleichzeitig heißt Frugalismus für mich aber auch, für die Dinge, die mir Freude bereiten, Geld auszugeben. Ziel ist ein erfüllendes Leben im Jetzt sowie mehr Unabhängigkeit in der Zukunft.
Valentina: Ziel ist es, sich durch mehr Bewusstsein mehr Freiheit zu verschaffen. Durch das Ansparen von Vermögen, wird man immer unabhängiger von seinem Job, sodass man selbst entscheiden kann, wie viel, was, wie und ob man noch arbeitet. Man hat mehr Optionen und mehr Wahlfreiheit. Die meisten Menschen arbeiten auch in der finanziellen Freiheit weiter, allerdings aus eigenem Willen und nicht nur des Geldes wegen.
Valentina: Früher war ich eine echte Shoppingqueen. Ich habe super gerne eingekauft und viel Zeit im Shoppingcenter verbracht. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass mich das nicht glücklich macht. Statt in die Läden bin ich immer lieber wandern gegangen und hab die Natur genossen. Ich habe aber nie alles für Shoppen ausgegeben, sondern schon seit jeher Geld zur Seite gelegt und gespart. Als das Shoppen durch Wandern ersetzt wurde, wurde das Geld am Konto immer mehr und ich habe gemerkt, dass mir meine Ersparnisse viel Freiheit bringen. So konnte ich beispielsweise jederzeit eine Reise antreten. Das Gefühl gefiel mir sehr gut, ein konkretes Sparziel hatte ich keines mehr. Dann bin ich irgendwann auf ein Interview mit Oliver Noelting zum Thema Frugalismus aufmerksam geworden und war total begeistert.

Valentina: Ich sehe den Weg auch als Ziel an. Schon jetzt bin ich deutlich zeitlich, örtlich und finanziell unabhängiger als noch vor 2 bis 3 Jahren. Meiner Meinung nach sollte man schon auf dem Weg zur finanziellen Freiheit darauf achten, dass man sein Leben zunehmend so gestaltet, wie man möchte. Dafür braucht man oft gar keine große Summe Geld.
Valentina: Mein Ziel ist es, das 25-fache meiner jährlichen Ausgaben an Vermögen anzusparen. Die konkrete Summe hängt dann von meinen Ausgaben zu dem jeweiligen Zeitpunkt ab.
Valentina: Meine Sparquote ist jeden Monat unterschiedlich hoch, da meine Einnahmen von Monat zu Monat schwanken. Im Durchschnitt beträgt sie zwischen 60 und 70%.

Valentina: Meine monatlichen Ausgaben betragen etwa 750 € bis 800 €.
Valentina: Ich habe verschiedene Einnahmequellen und strebe danach, diese auch kontinuierlich zu steigern. Momentan verdiene ich mein Geld hauptsächlich durch Kooperationen, Google Adsense sowie Affiliate.
Valentina: Auch ich hatte am Anfang viel Respekt vor dem Investieren. Je länger ich mich damit auseinandergesetzt habe, desto logischer erschien mir das Ganze. Ich fing an, das Geld, das ich vorher jahrelang am Girokonto angespart habe, anzulegen. Auch ohne ETFs und Co. kann man eine beträchtliche Summe ansparen, allerdings möchte man sein Vermögen ja nicht wieder aufzehren, sodass man das Geld anlegen sollte. Zudem macht der Zinseszinseffekt im Laufe der Zeit enorm viel aus. Wenn man sein Geld nicht investiert und für sich arbeiten lässt, lässt man sich viel Kapital entgehen.
Valentina: Für mich hat Frugalismus nichts mit Verzicht zu tun. Ich kaufe mir alles, was ich haben möchte, nur möchte ich inzwischen einfach nicht mehr so vieles haben. Früher war das noch ganz anders. Anstatt zu shoppen, verbringe ich meine Freizeit inzwischen lieber mit wandern und eigenen Projekten, die auch Einnahmequellen sind.

Valentina: Bei beiden Lebensstilen geht es um bewussten Konsum. Minimalisten fokussieren sich eher auf den Besitz von Dingen, während Frugalisten auch das Thema Geld mit einbeziehen und finanzielle Freiheit anstreben. Minimalisten sparen durch geringen Konsum zwar auch oft viel Geld, allerdings steht das beim Minimalismus nicht im Vordergrund.
Valentina: Ich besitze kein Auto, da ich in einer Stadt lebe und nicht gerne Auto fahre. Stattdessen habe ich ein Ticket, mit dem ich für 58 € pro Monat in ganz Österreich herumfahren kann. Zudem habe ich noch ein weiteres Ticket, mit dem ich für ca. 45 € pro Monat ganz viele Bergbahnen nutzen kann. Top für mich, die wandern und Ski fahren liebt. Beides zusammen kostet so viel wie andere in meinem Wohnort für einen Garagenplatz bezahlen. So oft wandern und Ski fahren zu können, wie ich will, macht mir viel mehr Freude als zu shoppen. Für Urlaub gebe ich auch gerne Geld aus, allerdings lebe ich bereits an meinem Traumort.
Valentina: Auf jeden Fall lebe ich durch meinen Lebensstil nachhaltiger, was aber eher eine Folge war als das primäre Ziel.
Valentina: Im Laufe der letzten Jahre habe ich gemerkt, dass Geld sehr viel Gutes bewirken kann und Freiheit bietet. Allerdings kann man als Plasmaspender zum Beispiel auch Gutes tun und sich dabei etwas dazu verdienen. Zudem: je mehr passives Einkommen man erzielt, desto unabhängiger wird man von seinem Job und desto mehr Zeit kann man zum Beispiel auch ehrenamtlichen Projekten widmen.
Valentina: Ich kaufe mir alles, was ich haben möchte. Das hört sich im ersten Moment vielleicht erstaunlich an, aber ich verzichte tatsächlich auf nichts. Mittlerweile ist es nur einfach so, dass ich kaum noch das Bedürfnis habe, etwas zu kaufen und durch viele Fehlkäufe in der Vergangenheit kann ich diese oft schon im Vorhinein vermeiden.
Valentina: Auf jeden Fall, da ich viel zufriedener und glücklicher bin als vorher. Früher dachte ich oft, dass ich dieses und jenes noch bräuchte, um glücklich zu sein. Inzwischen weiß ich, dass dem nicht so ist. Meine Gedanken drehen sich heute viel mehr um Projekte, die ich gerne angehen möchte, als um Gegenstände, die ich mir kaufen will.
Valentina: Am wichtigsten ist es, denke ich, seinen Konsum zu hinterfragen und hinter die Kulissen zu blicken. Sich die Frage zu stellen, warum man so viel kauft, kann sehr viel bewirken. Wenn man zudem anfängt, seine Ausgaben zu tracken, unnötiges zu streichen, dann hat man schon viel geschafft.
Valentina: Ich denke am wichtigsten ist eine gewisse Offenheit für Neues sowie Kreativität.
Valentina: Durch Corona haben viele Menschen ihren Lebensstil und Besitz hinterfragt. Deshalb glaube ich, dass zukünftig immer mehr Leute in Europa minimalistischer Leben. Auch durch das kontinuierliche Anheben des Renteneintrittsalters nehmen immer mehr Menschen ihre Altersvorsorge selbst in die Hand und streben finanzielle Freiheit an.
Valentina: Man sollte sich nicht einschränken, sondern nur Ausgaben reduzieren, die die Lebensqualität nicht beeinflussen. Für Dinge, die mir Freude bereiten, gebe ich gerne weiterhin Geld aus. Ich finde es super wichtig, eine Balance zu finden.
Valentina: Am häufigsten höre ich das Vorurteil, dass man jeden Cent 3x umdrehen und nicht leben würde. Dabei machen die großen Ausgaben wie Auto und Wohnen das meiste aus. Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, dass die schönsten Erlebnisse meist kostenlos oder sehr günstig sind.
Valentina: Nein, dafür braucht es einen gewissen Willen, Durchhaltevermögen sowie eine Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben. Aber ich glaube, dass finanzielle Freiheit auch ein Prozess ist und auch mit 5.000 € am Konto ist man unabhängiger als jemand, der tief in Schulden steckt.
Valentina: Ja, bevor ich etwas kaufe, schaue ich gerne, ob ich dafür noch einen Gutschein finde. Auch offline nutze ich gerne Rabattsticker.
Frugalismus ist also weit mehr als ein einfaches Leben, das auf Verzicht basiert, um irgendwann komplett finanziell unabhängig zu sein. Vielmehr kann ein bewussterer Umgang mit den eigenen Finanzen und das Hinterfragen des Konsumverhaltens dazu beitragen, mehr zu sparen, als bisher und gleichzeitig nachhaltiger zu agieren. Im Schnitt sparen die Deutschen übrigens nur etwa 10% ihres Einkommens. 2020 stieg die Sparquote durch die Corona-Krise immerhin sprunghaft auf über 16% an. Und auch aktuell, durch die steigenden Lebenshaltungskosten, scheint es immer wichtiger, im Alltag Geld zu sparen.
Egal, ob man nun Frugalist:in werden möchte oder nicht: Mehr Geld am Ende des Monats auf dem Konto zu haben bei gleicher Lebensqualität schafft zumindest Freiräume und ein Stück weit Unabhängigkeit.
